2. Station: Markenbildchenweg 30 - Schwestern Johanna, Dorothea und Elisabeth Schneider

Wir verlassen jetzt den Hauptbahnhof am Haupteingang und gehen geradeaus die Straße „Markenbildchenweg“ entlang und über die Hohenzollernstraße hinweg. Nach einigen Metern stehen wir vor dem Haus Markenbildchenweg 30.

Im Bürgersteig eingelassen sehen wir drei Stolpersteine. Sie sind verlegt für die Schwestern Schneider, für Johanna, Dorothea und Elisabeth Schneider

Die Stolpersteine für Johanna, Dorothea und Elisabeth Schneider.

Die Verlegung der drei Stolpersteine am 8. Mai 2018 fand in einem sehr würdigen Rahmen und mit vielen Besuchern und in Anwesenheit einer Verwandten der drei Schwestern (mit der lilafarbenen Bluse) statt. 

   
 
Bilder von der Verlegung der Stolpersteine für die drei Schwestern Schneider.

Leider wissen wir von den drei unverheirateten jüdischen Schwestern nur wenig. Sie waren erst vor einiger Zeit nach Koblenz zugezogen. Sie stammten aus Heddesheim, einem Ort an der unteren Nahe. Die älteste Schwester hatte dort, in Langenlonsheim, noch gelebt, die beiden jüngeren wohnten an der Untermosel in Kobern. Als nach der Machtübernahme der Nazis am 30. Januar 1933 die Lage für die Juden immer schwerer wurde, haben sich die drei Schwestern offensichtlich zusammengetan und sind zusammengezogen. Dabei wählten sie Koblenz – von Kobern aus gesehen als nächste größere Stadt – aus. Hier hofften sie, anonymer und unbehelligter leben zu können als in den Dörfern Kobern und Langenlonsheim – wobei Langenlonsheim ein ausgesprochenes Nazi-Dorf war. Aber auch hier in Koblenz gelang es ihnen nicht, dem Holocaust zu entkommen.

Am 22. März 1942 wurden die drei Schwestern Schneider von Koblenz aus „nach dem Osten“ deportiert. Vorausgegangen waren der streng geheime, bisher nicht bekannte Befehl zum Holocaust, und die Wannseekonferenz am 20. Januar 1942 in Berlin, auf der der Völkermord an den europäischen Juden in organisatorischer Hinsicht besprochen wurde. Die Deportation am 22. März 1942 war in Koblenz die erste von insgesamt 7 sieben Deportationen. Diese erfolgten - wie bereits erwähnt - nicht vom Hauptbahnhof aus, sondern von dem Nebenbahnhof in Koblenz-Lützel.

 

Der Bahnhof Koblenz-Lützel, heute.

Deportiert wurden 338 Menschen jüdischer Herkunft aus Koblenz und dem damaligen Landkreis Koblenz. Das Ziel war das Durchgangsghetto Izbica bei Lublin in dem von Deutschland besetzten Polen, dem Generalgouvernement.  

Karte (1941/1942) des von Hitler-Deutschland ("Großdeutsches Reich") besetzten "Generalgouvernements" mit dem Distrikt Lublin,
darin das mit einem „Stern“ gekennzeichnete Durchgangsghetto Izbica.

Die Fahrt dorthin dauerte mehrere Tage – ohne Essen, ohne Trinken, unter ganz schlimmen hygienischen Verhältnissen. Wer diese überlebte, kam dann in das Dorf Izbica. Dort hatten die deutschen Besatzer kurz zuvor für die Juden aus dem Westen Platz gemacht, indem man viele einheimische Juden in das nicht weit entfernt gelegene Vernichtungslager Belzec transportiert und mit Motorabgasen ermordet hatten. Die Juden von hier nahmen zusammengepfercht deren Stelle im Dorf ein. Sie lebten dann unter extrem schwierigen Verhältnissen mit den verbliebenen einheimischen Juden zusammen, waren der Willkür der SS und anderen Bewachern ausgesetzt. 

Das Durchgangsghetto Izbica bei Lublin im Generalgouvernement.(Quelle: Wikipedia)

Wer das alles überlebte, wurde im Oktober 1942 im Zuge der sog. Aktion Reinhard in das Vernichtungslager Sobibor verschleppt. 

Karte (1941/1942) des von Hitler-Deutschland ("Großdeutsches Reich") besetzten "Generalgouvernements" mit dem Distrikt Lublin,
darin das mit einem „Stern“ gekennzeichnete Vernichtungslager Sobibor.

 

Der Weg der Deportierten von der Rampe an der Nebenstrecke der Eisenbahn in den Tod in die Gaskammern des Vernichtungslagers Sobibor.


In den Gaskammern des Vernichtungslagers Sobibor wurden schätzungsweise 150.000 bis 250.000 Juden mit Motorabgasen ermordet. Nur wenige konnten fliehen. Das Ende des Zweiten Weltkrieges überlebten nur 47 Menschen jüdischer Herkunft. Die drei Schwestern Schneider waren nicht unter ihnen.