5. Station: Kurfürstenstraße 61 - Familie Jakob Gottschalk

Wir gehen jetzt die Johannes-Müller-Straße ein kurzes Stück weiter, biegen links in die Kurfürstenstraße ein und kommen auf der rechten Straßenseite zur Bundeswehrfachschule. 

 

Bundeswehrfachschule in der Kurfürstenstraße.

Dort liegen an der linken Grundstücksgrenze die vier Stolpersteine der jüdischen Familie Gottschalk.

 

Die vier Stolpersteine für die Familie Gottschalk, für Vater Jakob, Mutter Clara und die Kinder Renate und Siegfried.

Die Gottschalks, das waren der 1901 geborene Vater Jakob, die gleichaltrige Mutter Clara, geb. Baum, die 1924 geborene Tochter Renate und der 1928 geborene Sohn Siegfried. Der Vater stammte aus Ahrweiler, die Mutter aus Gerolstein. Zu einem nicht bekannten Zeitpunkt zogen die beiden nach Koblenz. Der Vater war Schuhmacher und hatte hier eine kleine Werkstatt, mit der er die Familie nur mühsam ernähren konnte. 

Die Familie hatte eigentlich die Zeichen der Zeit - die Diskriminierung, die beginnende Verfolgung der Juden in Hitler-Deutschland - erkannt. Denn schon 1937 schickten sie Tochter Renate zu Verwandten nach Dänemark. Dort sollte sie auf Dauer bleiben. Wie sich später herausstellte – unglücklicherweise - kam sie Herbst 1938 zu Besuch bei ihren Eltern in Koblenz. Dadurch geriet sie in den Novemberpogrom, die sog. Reichspogromnacht am 9./10. November 1938 und ihre Folgen. 

Darüber, wie es der Familie Gottschalk in dieser Nacht erging, berichtete später ein Nachbarjunge:

Uns gegenüber, in der Kurfürstenstraße, wohnte ein jüdischer Schuhmachermeister (Gottschalk), der sein Geschäft schlecht und recht betrieb. Er hatte zwei kleine Kinder, eine Tochter und einen Sohn. Am Morgen des 10. November sah ich, wie zwei Männer, die mir als Mitglieder der Geheimen Staatspolizei bekannt waren, mit schweren Holknüppeln unter dem Mantel in die Wohnung eindrangen und nicht nur die Steppmaschine des Schuhmachers, sondern in den Schränken auch das Geschirr und persönliche Erinnerungsstücke zerschlugen. (…) Mein Deutschlehrer an einem der beiden Koblenzer Gymnasien, dem ich dies am anderen Morgen empört berichtete, sagte nur, das sei Staatsräson.

Nicht nur das Geschäft und die Wohnung der Gottschalks wurden verwüstet, sondern auch Vater Jakob wurde - wie viele jüdische Männer in Koblenz und ca. 30.000 im gesamten Deutschen Reich – verhaftet und in das Konzentrationslager Dachau bei München verschleppt. Mutter Clara floh daraufhin mit den Kindern Renate und Siegfried zu ihrer Schwester nach Bendorf am Rhein. 

Es dauerte dann bis Anfang 1939, bis Vater Jakob aus dem KZ Dachau wieder freikam. Die Familie kehrte nicht nach Koblenz zurück, blieb auch nicht in Bendorf, sondern ging nach Köln. Das geschah sicherlich in der Hoffnung, in der Anonymität der Großstadt unbehelligt zu bleiben.

Das gelang aber nicht. In Köln begannen die Deportationen der Juden noch früher als hier in Koblenz und davon waren auch die Gottschalks betroffen. Alle Vier wurden schon mit der 1. Deportation am 7. Dezember 1941 – das war noch vor der sog. Wannsee-Konferenz, auf der am 20. Januar 1942 die Organisation des Holocaust besprochen wurde – von Köln aus „nach dem Osten“ verschleppt. Das Deportationsziel war Riga in Lettland.

 

Eintreffen der Juden aus dem Deutschen Reich – und damit auch der aus Köln –
auf dem Rangierbahnhof Skirotava in Riga, Dezember 1941.(Quelle: Yad Vashem). 

In Riga brachte man die Juden aus Köln und aus dem ganzen Deutschen Reich in das große, sog. „Deutschen-Ghetto“.


Das Ghetto in Riga, heute. 

Tage zuvor hatten die deutschen Besatzer das Ghetto weitgehend geräumt und Platz geschaffen, indem sie mehr als 26.000 Juden aus dem Rigaer Ghetto in einen in der Nähe gelegenen Wald verschleppt, dort erschossen und verscharrt hatten. Für die deutschen Juden, wie die Gottschalks, war ihre Einquartierung ein besonderer Schock. Denn die einheimischen Juden hatten die Häuser überstürzt und unter Gewalt verlassen müssen. An den Wänden und auf den Fußböden sah man braune Flecken von eingetrocknetem Blut. Reste von Mahlzeiten lagen auf den Tischen, Überbleibsel von Esswaren fanden sich in den Vorratskammern. 

Das Ghetto-Museum von Riga mit einem der für die Deportationen benutzten Güterwaggons. 

Später kamen die Gottschalks in das in einem Vorort von Riga gelegene Konzentrationslager Kaiserwald. In diesem Komplex mussten sie Zwangsarbeit leisten, wobei der Beruf des Vaters – Schuhmacher – zunächst für ihr Überleben sorgte. 

Konzentrationslager Kaiserwald in Riga/Lettland. (Quelle: HIER)

Als dann die Rote Armee im September 1944 immer näher rückte, begannen die Evakuierungstransporte aus dem KZ Kaiserwald in das Konzentrationslager Stutthof bei Danzig. Jedenfalls der Vater und die beiden Kinder – von der Mutter wissen wir das nicht genau – wurden mit dem Transport vom 1. Oktober 1944 nach Stutthof verschleppt. Dort verliert sich ihre Spur.

Eingangstor des KZ Stutthof bei Danzig. (Quelle: HIER)


 

Vorder- und Rückseite der Karteikarte der Gestapo Koblenz betr. Renate Gottschalk
(Quelle: Excl. Lizenz: Digitales Archiv, ITS Bad Arolsen).

 

Karteikarte der Gestapo Koblenz betr. Siegfried Gottschalk.
(Quelle: Excl. Lizenz: Digitales Archiv, ITS Bad Arolsen).

 


Karteikarte der Gestapo Koblenz betr. Vater Jakob Gottschalk.
(Quelle: Excl. Lizenz: Digitales Archiv, ITS Bad Arolsen).