Station 1: Der Hauptbahnhof



Der Koblenzer Hauptbahnhof (um 1910, Quelle: Stadtarchiv Koblenz)

Schon der Hauptbahnhof in Koblenz ist ein Gedenkort. Dokumentiert wird dies mit dem Laufband, das auf dem Weg zu den Bahnsteigen neben der Anzeigentafel für die Züge angebracht ist. Das Laufband erinnert an NS-Opfer, die während des Zweiten Weltkrieges von hier aus mit dem Zug abtransportiert wurden. Das waren vor allem „Schutzhäftlinge“ der Gestapo und auch Sinti („Zigeuner“). Das Ziel dieser Züge waren die Konzentrationslager, vor allem Buchenwald und Dachau, aber auch Auschwitz-Birkenau.

Das "Laufband" zur Erinnerung an die verschleppten NS-Opfer im Koblenzer Hauptbahnhof.

Sie werden es nicht glauben: Damals gab es ganz offiziell Gefangenentransportzüge. Die Wagen hatte man ein wenig umgebaut und für Gefangene „hergerichtet“ – im Innern mit Gittern und anderen Sicherungsvorrichtungen „ausgestattet“. Das waren aber, jedenfalls hier, nicht ganze Züge – mit vielen Gefangenenwagen. Die Züge hatten vielmehr nur einzelne Gefangenenwagen, die an die normalen Wagen angehängt wurden. Und für diese Gefangentransportzüge gab es ein richtiges Kursbuch, so wie wir auch heute noch Kursbücher kennen: mit verschiedenen Stationen und der Angabe der Ankunfts- und Abfahrtszeit. Die Züge nahmen an den Stationen Häftlinge auf und waren dann mehrere Tage unterwegs. Sie müssen sich das so vorstellen, dass hier zum Beispiel an jedem Dienstag ein Gefangenenzug von Trier kommend um 10.45 Uhr einlief und dann um 12.45 Uhr weiter über Köln ins Ruhrgebiet und dann ins Konzentrationslager Buchenwald fuhr – zunächst bis zum Bahnhof Weimar (von wo aus die Häftlinge mit Lastwagen ins KZ gefahren wurden) und später, ab 1943, mit der sog. Buchenwald-Bahn bis zum KZ). 

Das mag Sie erstaunen, denn immer wieder hört und liest man, dass die Menschen in Viehwaggons verschleppt wurden. Diese Information ist schon richtig, sie bedarf aber einer Ergänzung. Auf solchen Hauptbahnhöfen wie hier in Koblenz konnten ja nicht Viehwaggons bereitgestellt werden, in die man dann hunderte von Menschen hineinzwang. Nein, aus mehreren Gründen konnten von solchen Bahnhöfen wie hier nur Gefangenentransporte in umgebauten Personenwagen abgehen. 

Gleichwohl stimmen diese Informationen und die bekannten Fotos über die Transporte in Viehwaggons. Diese Züge waren Deportationszüge, mit denen vor allem Juden „nach dem Osten“ massenweise verschleppt wurden. Solche Züge gab es auch von Koblenz aus. Ihr Ausgangspunkt war aber nicht der Hauptbahnhof hier, sondern vielmehr der Nebenbahnhof in Koblenz-Lützel. Der Bahnhof in Lützel liegt vom Hauptbahnhof aus gesehen jenseits der Mosel. Von dort gingen die Deportationszüge „nach dem Osten“. Aber auch diese hatten (zunächst) keine Viehwaggons, sondern wohl ausgeräumte, leere Personenwagen. Das waren natürlich keine 1. Klasse-Wagen („bessere“ Wagen gab es nur für die Begleitmannschaft der Gestapoleute), sondern Wagen der 3. Klasse, also „Bretterklasse“ -, aber eben keine Viehwaggons. Hintergrund war, dass die Nazis bei der Abfahrt den Juden und der Öffentlichkeit nicht zeigen wollten, dass sie die Menschen wie Vieh behandelten und sie so behandeln würden. Sie sollten ja angeblich zum Arbeitseinsatz „nach dem Osten“. Und dazu passten primitive Personenwagen und ähnliches für „Arbeitssklaven“. Ggf. wurden die Deportierten auf dem Weg vom Westen in den Osten in Viehwaggons „umgeladen“.