9. Station: Zentralplatz - Familie Kaufmann

Wir gehen jetzt die Clemensstraße zu Ende bis zur Ampel und überqueren dann die Clemensstraße. Hier am Zentralplatz finden wir sogleich am Forum Confluentes weitere Stolpersteine. 

 

Das Forum Confluentes in Koblenz.

An der runden „Spitze“ des Forums, an der der Clemensstraße zugewandte Seite, liegen vier Stolpersteine für weitere jüdische Opfer. Sie erinnern an die Familie Kaufmann: den Vater Hermann, die Mutter Hedwig, geb. Abraham, und die Söhne Hans Jakob und Ernst. 

4 Stolpersteine für die Familie Kaufmann, für Vater Hermann (* 1887 in Boppard),
Mutter Hedwig, geb. Abraham (* 1889 in Koblenz), und die Söhne Hans (*1926) und Ernst (*1931). 

Die Kaufmanns hatten noch einen dritten Sohn, den 1922 geborenen Alfred. Er war Hilfspfleger in der Israelitischen Heil- und Pflegeanstalt in Bendorf-Sayn und wohnte nicht mehr bei den Eltern. Deshalb ist für ihn hier auch kein Stolperstein verlegt. 

Vater Hermann hatte – aus welchen Gründen auch immer – in jungen Jahren in Zürich gewohnt. Im Ersten Weltkrieg war er Soldat im deutschen Heer und wurde wegen seiner Leistungen mit dem Eisernen Kreuz Erster Klasse (EK I) ausgezeichnet. Viele Deutsche Juden waren Soldaten im Ersten Weltkrieg und kämpften für ihr Vaterland. Sie waren auch tapfer, nicht wenige erhielten Auszeichnungen, eine ganz besondere war das EK I. 

Bei Beginn des Ersten Weltkriegs meldeten sich in einer allgemeinen Kriegsbegeisterung viele junge Männer zu den Fahnen, auch viele Juden. Bei den Juden schwang dabei mit, dass sie mit dem Kampf für das deutsche Vaterland endlich auch die Anerkennung und faktische Gleichberechtigung erhielten, die ihnen immer noch fehlte. Anfangs war das Verhältnis unter den Soldaten und auch das Verhältnis der deutschen Zivilbevölkerung zu den jüdischen Soldaten gut. Dann kippte aber die Stimmung. Vielfach hieß es, die Juden seien Drückeberger, sie seien überhaupt nicht vaterländisch gewesen, vielmehr hätten sie mit dem Krieg Geschäfte gemacht und seien Kriegsgewinnler. Die so tapferen Juden waren daraufhin sehr enttäuscht.

Nach dem Ende des Krieges kehrte Hermann Kaufmann nach Koblenz zurück. Hier heiratete er seine Frau Hedwig. Dann kamen die drei Söhne zur Welt. Die Kinder gingen hier zur Schule, Vater Hermann war Altwarenhändler. Die Familie wohnte in der Balduinstraße 37. 

In diesem Haus in der damaligen Balduinstraße wohnte auch die zuvor erwähnte Familie Alfred Bernd. Für die Bernds sind die Stolpersteine ja jenseits der Clemensstraße in der Görgenstraße verlegt, für die Familie Kaufmann nun hier. Fragen Sie mich bitte nicht, warum das so ist. Die Häuser hier ließen sich sicherlich nicht mehr so genau lokalisieren, die Balduinstraße existiert ja nicht mehr. Durch den Zentralplatz und das Schängel-Center ist alles neu und anders angelegt worden. 

Hans Jakob Kaufmann (Quelle: Stadtarchiv Koblenz)

Jedenfalls sind die Eltern Kaufmann und ihre beiden Söhne Hans und Ernst von der Balduinstraße aus deportiert worden. Auch sie gingen mit der 1. Deportation von Juden aus Koblenz und Umgebung am 22. März 1942 auf Transport in das Durchgangsghetto Izbica bei Lublin im damals von Hitler-Deutschland besetzten Polen, dem Generalgouvernement. 

Karte (1941/1942) des von Hitler-Deutschland ("Großdeutsches Reich") besetzten "Generalgouvernements" mit dem Distrikt Lublin, 
darin das mit einem „Stern“ gekennzeichnete Durchgangsghetto Izbica.

Dort trafen die Koblenzer und Juden aus anderen Städten, insgesamt etwa 1.000 Menschen, 3 – 4 Tage später ein. 

Auf dem Bahnhof von Izbica im Generalgouvernement, um 1940 (Quelle: HIER).

Zuvor hatten Gestapo- und SS-Leute in Izbica Platz geschaffen, indem sie 2.200 einheimische Juden in das neu errichtete Vernichtungslager Belzec verschleppten und dort mit Gas ermordeten. In die zum Teil so geräumten Häuser quartierte man die dazukommenden Juden ein. Für alle war es ein Schock, für die Einheimischen, weil sie Platz machen mussten, für die „Reichsjuden“, weil sie in eine völlig fremde Welt und ungewisse Zukunft kamen.  

Sofern die Koblenzer und die anderen Juden aus dem Westen überhaupt die katastrophalen Verhältnisse und auch die willkürlichen Tötungen in Izbica überlebten, wurden sie in ein Vernichtungslager verschleppt und mit Gas ermordet. Sehr wahrscheinlich war es das Vernichtungslager Sobibor. Von ihnen kam keiner zurück. 

Bis zum Herbst 1943 starben in Belzec zwischen 440.000 und 453.000, in Sobibor etwa 180.000 und in dem weiteren Vernichtungslager Treblinka zwischen 800.000 und 900.000 Menschen, zum weit überwiegenden Teil polnische Juden, aber auch Juden aus dem Deutschen Reich und aus anderen von Hitler-Deutschland besetzten Ländern.

Karte (1941/1942) des von Hitler-Deutschland ("Großdeutsches Reich") besetzten "Generalgouvernements" mit dem Distrikt Lublin,
hier: Durchgangsghettos und Vernichtungslager der "Aktion Reinhard(t)",  jeweils mit einem „Stern“ gekennzeichnet.