4. Station: Frankenstraße 13 - Edmund Zimmer 

Gehen wir nun die Hohenzollernstraße ein Stück weiter, überqueren sie an der nächsten Ampel und gehen in die Sachsenstraße. Dieser folgen wir bis zum Ende und biegen rechts in die Frankenstraße ein. Der Frankenstraße folgen wir bis sie eine Kurve macht. Hier im Kurvenbereich befinden sich zahlreiche Neubauten. Die Nummerierungen gehen von Nummer 23 über Nummer 21 bis Nummern 4/6. Wir suchen einen Stolperstein für Edmund Zimmer, der in der Frankenstraße 13 liegen soll – und finden ihn nicht, auch finden wir nicht die Frankenstraße 13

Hier ist einer der Fälle, in denen man sich nicht um die Pflege der Stolpersteine gekümmert hat. Es gibt nicht einmal ein Foto dieses Stolpersteins. Möglicherweise ist er bei den hier errichteten Neubauten verschwunden. Das ist mit Stolpersteinen an verschiedenen Orten in der Stadt passiert, das kann auch hier passiert sein.

Wenn wir also auch keinen Stolperstein präsentieren können, so will ich Ihnen zeigen, wie der Stein aussehen müsste, nämlich so:

Fiktiver Stolperstein für Edmund Zimmer.

Ohne realen Stolperstein will ich Ihnen hier von Edmund Zimmer erzählen. Denn auch sein Schicksal – das eines psychisch Kranken – darf nicht vergessen werden.

Edmund Zimmer kam 1920 in Koblenz zur Welt. Sein Leben verlief zunächst in „normalen“ Bahnen. Er besuchte die Volksschule, ohne sitzenzubleiben, anschließend absolvierte er eine kaufmännische Lehre. Im Frühjahr 1937, beim Reichsarbeitsdienst (RAD), erlitt er zum ersten Mal einen Gehirnkrampf. Daraufhin wurde er aus dem RAD entlassen und war zu Hause. Die Krämpfe nahmen zu, an manchen Tagen waren es drei oder auch fünf. Seine Mutter, der Vater war inzwischen gestorben, gab ihn in Obhut in die Heil- und Pflegeanstalt Bonn. Die Krankheit besserte sich nicht, er war aber körperlich und geistig „in Ordnung“ und machte sich mit leichteren Arbeiten nützlich.

Blick in den Wachsaal der Provinzial-Heil- und Pflegeanstalt Bonn, um 1920. 

Mit einem auf den 1. September 1939 (Beginn des Zweiten Weltkrieges) rückdatierten Ermächtigungsschreiben Hitlers wurde dann die Rassenideologie der Nazis, der später die Juden und „Zigeuner“ zum Opfer fielen, breits Kranken, Behinderten und sozial Unangepassten „Deutschblütigen“ zur tödlichen Praxis. Nachdem schon mit dem „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ vom 14. Juli 1933 seit dem 1. Januar 1934 und bis zuletzt 350.000 bis 400.000 Menschen zwangsweise sterilisiert worden waren, begann im Schatten von Hitlers Angriffskrieg die – wie die Nazis es nannten - Vernichtung lebensunwerten Lebens“.

Der auf den 1. September 1939 rückdatierte, auf privatem Briefpapier geschriebene „Euthanasie“-Erlass Hitlers.
Am 27. August 1940 von Reichsleiter Dr. Philipp Bouler (von der „Kanzlei des Führers“) Reichsjustizminister Franz Gürtner übergeben
(siehe den handschriftlichen Vermerk unten). 

Unter Tarnnamen organisierte die „Kanzlei des Führers“ die Ermordung von ca. 70.000 Geisteskranken und körperlich Missgebildeten im Rahmen der „Aktion T 4“ (benannt nach dem Sitz der Zentrale in der Tiergartenstraße 4 in Berlin). Das ganze Deutsche Reich war überzogen mit einem Netz von sechs Tötungsanstalten und zahlreichen „Zwischenanstalten“. In diese wurden die Kranken zur Tarnung und zur Organisation des Mordens zuvor „verlegt“. Eine solche Zwischenanstalt war die Provinzial- Heil- und Pflegeanstalt Andernach. Eine Tötungsanstalt befand sich in Hadamar bei Limburg/Lahn. 

Am 20. Mai 1941 wurde Edmund von der Anstalt Bonn in die „Zwischenanstalt“ Andernach verlegt. Seiner Mutter und seiner Schwester schrieb er, sie hätten von Bonn aus einen Ausflug nach Andernach gemacht, dort solle er auch bleiben. Daraufhin besuchte ihn seine besorgte Mutter. 

Eingang der Provinzial-Heil- und Pflegeanstalt Andernach, o.J.

Als ihn seine Patin Mitte Juni in Andernach besuchen wollte, traf sie Edmund nicht an. Telefonische Nachfragen seiner alarmierten  Schwester blieben erfolglos. Auch als sie am nächsten Tag vorstellig wurde, erhielt sie keine Auskunft über den Verbleib ihres Bruders – lediglich die Adresse des ihn abtransportierenden Unternehmens, der „Gemeinnützigen Kranken-Transport GmbH (GEKRAT)“. Auf den heftigen Protest der Schwester hin bekundeten die drei Ärzte in Andernach ihre Unschuld an allem.

Einige Tage später informierte die GEKRAT die Familie, Edmund sei nach Hadamar bei Limburg „verlegt“ worden und dort in gutem Gesundheitszustand angekommen. Wegen ansteckender Krankheiten seien aber Besuche, Briefe und Pakete verboten.

Wiederum einige Tage später teilte die Landesheilanstalt Hadamar Edmunds Familie mit, dass er am 3. Juli 1941 in Hadamar an Pneumonie (Lungenentzündung) gestorben sei. Die Wahrheit ist eine andere: Wie tausend andere Kranke auch wurde Edmund Zimmer von der „Zwischenanstalt“ Andernach „als unnützer Esser“ und „Ballastexistenz“ in die Tötungsanstalt Hadamar verschleppt. Dort wurde er noch am Tag der Einlieferung mit Kohlenmonoxyd vergast und anschließend im Krematorium verbrannt. 

Die Tötungsanstalt Hadamar auf dem Mönchsberg mit dem Rauch, der aus dem Schornstein des Krematoriums aufsteigt, 1941.