6. Station: Johannes-Müller-Str. 6 - Familie Leo Hermann
Wir drehen uns um und überqueren die Johannes-Müller-Straße.
Gegenüber des Krankenhauses, in der Johannes-Müller-Straße 6, liegen drei Stolpersteine für die jüdische Familie Hermann. Sie erinnern an den Vater Leo, die Mutter Johanna und die Tochter Hannelore.
Die 1926 geborene Hannelore war das „Nesthäkchen“ der Familie,
hier das Foto von ihrer Einschulung 1935.
Hannelore hatte zwei ältere Brüder, Hans und Kurt. Beide konnten noch rechtzeitig fliehen: Kurt 1935/36 in das damalige Palästina, Hans 1939 nach England.
Vater Leo war Vertreter, Mutter Johanna betrieb einen kleinen Strumpfladen, erst in der Löhrstraße, später am Entenpfuhl. Die Familie hatte eine gute Zeit hier in Koblenz, die Kinder gediehen, die Jungs gingen auf die Oberrealschule (heute: Eichendorff-Gymnasium), Hannelore war im Kindergarten der Hildaschule.
Vater Leo und Mutter Johanna Hermann.
Das änderte sich nach der Machtübernahme der Nazis grundlegend. Wie fast alle jüdischen Familien wurden die Hermanns diskriminiert und ausgegrenzt. Auch die Geschäfte der Eltern gingen zurück.
Sohn Kurt spürte schon früh die von den Nazis ausgehende große Gefahr für Leib und Leben der Juden. Er verließ bald die Schule, begann eine Lehre, schloss sich der zionistischen Jugendbewegung an und absolvierte ein Ausbildungslager für eine Auswanderung nach Palästina. Ende 1935/36 verließ er Hitler-Deutschland und emigrierte in das damals noch unter der Verwaltung des Völkerbundes stehende Palästina.
Foto zum Abschied von Sohn Kurt.
V.l.n.r.: Sohn Hans, Mutter Johanna, Tochter Hannelore, Vater Leo und Sohn Kurt, um 1935.
Auch die Eltern überlegten hin und her auszuwandern. Sie hingen aber an Koblenz und konnten sich nicht für ein Asylland entscheiden. Wenig ermutigend waren auch die Erfahrungen, die Sohn Kurt und ein Bruder des Vaters im Ausland machten. Kurt hatte einen sehr schweren Start in Palästina – und das, obwohl er anders als seine Eltern jung war und eine gewisse praktische Ausbildung durchlaufen hatte. Und Vater Leos Bruder, der mit seiner Familie nach Südafrika emigriert war, war dort gescheitert und inzwischen wieder nach Hitler-Deutschland zurückgekehrt.
Unterdessen nahmen die Drangsalierungen zu. Vater Leo wurde wiederholt von der Gestapo einbestellt und tagelang im Gestapogebäude „Im Vogelsang“ verhört.
Das Gestapo-Gebäude in Koblenz „Im Vogelsang“.
Im Zuge des Novemberpogroms, der sog. „Reichspogromnacht“ am 9./10. November 1938, wurde die Wohnung der Familie von SA- und Gestapoleuten verwüstet, den Vater hielt die Gestapo dann tagelang „Im Vogelsang“ fest. Die Hermanns waren verzweifelt und wollten am liebsten sofort auswandern. Sohn Hans konnte noch nach England fliehen, Tochter Hannelore gelang das nicht.
Die Lage wurde immer verzweifelter. Die Eltern wollten mit ihrer Tochter Hannelore nur weg aus Hitler-Deutschland – sogar, was sie zuvor verworfen hatten, nach Palästina. Aber das gelang nicht. Vater Leo schrieb an seinen Sohn Kurt nach Palästina: „Unsere Absicht, zu Euch zu kommen, lässt sich leider nicht verwirklichen. Ich ... habe die traurige Mitteilung erhalten, dass wir Hannelore nicht nach dorthin mitnehmen könnten, weil Kinder unter 15 Jahren von der Reise ausgeschlossen sind. Man hätte mir das auch schon früher berichten können, aber was soll ich tun?“
Das letzte Foto von Hannelore Hermann, Anfang der 1940er Jahre.
Vater, Mutter und Hannelore konnten sich keine Fluchtmöglichkeit mehr eröffnen, sie waren in Hitler-Deutschland gefangen. Längst war Krieg, die Juden mussten den gelben Stern tragen, wurden weiter schikaniert und seit Ende Oktober 1941 gab es auch offiziell ein Ausreiseverbot für Juden. Am 20. Januar 1942 fand die sog. Wannsee-Konferenz in Berlin statt, auf der die Organisation des Holocaust besprochen wurde.
Am 22. März 1942 wurden die Eltern Leo und Johanna und ihre Tochter Hannelore mit der 1. Deportation vom Bahnhof in Koblenz-Lützel „nach dem Osten“ verschleppt.
Der Bahnhof Koblenz-Lützel, heute.
Das Ziel des Transports war das Durchgangslager Izbica bei Lublin im von Deutschland besetzten Polen, dem sog. Generalgouvernement. Von dort kehrten sie nicht zurück.
Wer mehr über die Familie Hermann erfahren will, dem empfehlen wir:
HIER die Kurzbiografie von Hannelore Hermann auf dieser Homepage.
HIER die Erinnerungen von Kurt Hermann an seine Kindheit und Jugendzeit in Koblenz 1918 bis 1935.