5. Station: Friedrich-Ebert-Ring 39 - Familie Bernd

Wir gehen den Friedrich-Ebert-Ring ein kleines Stück weiter in Richtung Pfaffendorfer Brücke/Rhein und kommen nach der nächsten Querstraße (der Hohenzollernstraße) an das Eckhaus Friedrich-Ebert-Ring 39.

Hier am Eckhaus Hohenzollernstraße/Friedrich-Ebert-Ring sehen wir wieder zahlreiche Stolpersteine. Es sind die der Familie Bernd.

Die fünf Stolpersteine für die Familie Bernd, von links oben nach rechts unten:
Vater Dr. Hugo Bernd, Mutter Senta und die Kinder Rolf, Beate und Hans Reiner Bernd.

Beginnen wir die Geschichte der jüdischen Familie Bernd mit der Mutter Senta, geborene Fuchs. Im Allgemeinen wissen wir ja aus dieser Zeit von den Frauen und Müttern sehr wenig. Während die Männer und Väter sich in Beruf, Gesellschaft oder auch Politik hervortaten, waren die Frauen meist „nur“ Hausfrauen und als solche eher unbekannt. So war es für Senta Bernd selbst auch, sie hatte aber einen zur damaligen Zeit sehr bekannten Bruder, Gottfried Fuchs.

Der Fußballer Gottfried Fuchs. (Quelle: HIER)

Fuchs war Stürmer beim Karlsruher FV und mit der Mannschaft 1910 deutscher Fußballmeister. Er spielte auch mehrmals in der Nationalmannschaft. Beim Olympischen Fußballturnier 1912 in Stockholm erzielte er im Spiel gegen die Mannschaft Russlands 10 Tore, der Endstand des Spiels war dann 16:0. Die 10 Tore eines einzigen Spielers in einem offiziellen Fußballspiel waren fast 100 Jahre lang Weltrekord, bis heute sind sie immer noch deutscher Rekord.

Das zu Gottfried Fuchs. Sein Schwager Dr. Hugo Bernd war nicht ganz so spektakulär. Er stammte aus einer jüdischen Familie, die mehrere Jahrhunderte im Rheinland gelebt hatte. Sein Großvater Josef Bernd war Mitte des 19. Jahrhunderts aus Hohensolms nach Koblenz gezogen.

Josef Bernd (1818 - 1886), Grossvater von Dr. Hugo Bernd.

Dessen Sohn, Hugos Vater, Carl gründete in Koblenz das Möbelhaus Bernd. Dieses Möbelhaus gibt es heute noch in Koblenz, es hat aber seit der „Arisierung“ durch die Nazis nur noch den Namen mit der Familie Bernd gemeinsam.

Sohn Hugo ging andere Wege. Er machte am Kaiserin-Augusta-Gymnasium (heute: Görres-Gymnasium) in Koblenz Abitur, studierte Medizin und nahm am Ersten Weltkrieg teil. Für seine Verdienste um das Vaterland wurde er mit dem Eisernen Kreuz I. Klasse (EK I) ausgezeichnet. 

Mit seiner Frau Senta, die sich wie er im Erwachsenalter evangelisch taufen ließ, hatte er drei Kinder: den 1913 geborenen Sohn Rolf, die 1915 geborene Tochter Beate und 1929 geborenen Sohn Hans Reiner. Dr. Hugo Bernd war viele Jahre frei praktizierender Facharzt für Hals-, Nasen- und Ohrenleiden sowie für Sprachstörungen, außerdem Abteilungsarzt in den Krankenhäusern Brüderhaus und Marienhof.  

Die drei Bernd-Kinder konnten noch rechtzeitig Hitler-Deutschland verlassen. Als erster emigrierte Rolf, der als Musiker für sich keine berufliche Perspektive mehr sah. Er wanderte über Italien Mitte der 1930er Jahre in die USA aus. Dort vereinsamte er aber völlig und nahm sich 1940 das Leben.


Die Bernd-Kinder: Beate, Hans-Reiner und Rolf, wohl Mitte der 1930er Jahre, '

vor der Emigration Rolfs in die USA. 

Für Dr. Bernd und seine Familie wurde die Situation auch als evangelisch Getaufte jüdischer Herkunft immer schwieriger und perspektivloser. Erst entzog man ihm im Zuge der Nürnberger Rassengesetze die Approbation, also die Zulassung als Arzt. Das geschah noch nicht mit den Nürnberger Rassengesetzen im Jahr 1935 selbst, sondern „erst“ 1938. Als “Frontkämpfer“ hatte Dr. Bernd eine gewisse Schonfrist. Er durfte dann aber nur noch sog. Krankenbehandler sein (sich also nicht mehr Arzt nennen) und nur noch jüdische Patienten behandeln - „Ariern“ war es angeblich nicht zumutbar, sich von einem Arzt jüdischer Herkunft behandeln zu lassen.

Trotz allem fühlte sich Dr. Bernd in Deutschland nicht so unsicher, um zu fliehen. Er meinte, als mit dem EK I ausgezeichnetem Frontkämpfer des Ersten Weltkriegs werde ihm und seiner Frau schon nichts passieren. Deshalb schlug er auch das Angebot eines Bruders des Brüderhauses aus, nach China zu fliehen, wo in die Brüder eine Niederlassung hatten. 

Zu einem vorläufigen Höhepunkt der Schikanierungen kam es dann in der „Reichspogromnacht“ am 9./10. November 1938, als Hugo und Senta Bernd für einige Tage inhaftiert wurden. Wieder in freigelassen, war das das Signal für sie, ihre beiden Kinder Beate und Hans Reiner in Sicherheit nach England zu bringen. 


Letztes Foto der Familie Bernd, wohl von Anfang 1939 aus Anlass der Emigration

von Sohn Hans Reiner und Tochter Beate nach England.

Sohn Hans Reiner gelangte mit einem Kindertransport nach England. Zuvor mussten noch zahlreiche Formalitäten erledigt werden.

Kinderausweis von Hans Reiner Bernd, Seite 1 mit dem "J".

Kinderausweis von Hans Reiner Bernd, Seite 2 mit Foto.

Als die Schikanen und die Bedrohung immer schlimmer wurden, waren auch die Eheleute Bernd zur Flucht aus Hitler-Deutschland bereit. Im März 1941 beantragten sie einen Reisepass für die USA. Da war es aber zu spät. 

Dr. Hugo Bernd.

Dr. Bernd betreute dann noch – befohlen und auch freiwillig, in einer Gemengelage – die jüdischen Menschen, die ab dem 22. März 1942 von Koblenz aus „nach dem Osten“ deportiert wurden. Wohl schon vorher und auf dem Bahnhof in Lützel sorgte er dafür, dass sie in die Züge einsteigen konnten. Es waren dann insgesamt vier recht große Deportationen, bei denen Dr. Bernd die Menschen betreute. 

Als fast alle Juden aus Koblenz und Umgebung deportiert waren, wurden auch Dr. Hugo Bernd und seine Frau Senta von Koblenz aus am 28. Februar 1943 in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau verschleppt und dort in den Gaskammern mit Giftgas ermordet.


Das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau. (Quelle: Wikipedia)

Die Kinder Beate und Hans Reiner überlebten in England den Holocaust. Sie hatten noch Kontakt zu Angehörigen hier. Ihre Nachkommen besuchten bei einem Familientreffen die hier für ihre Angehörigen verlegten Stolpersteine.


Angehörige der Familie Dr. Hugo und Senta Bernd aus England und Koblenz und Umgebung
an den Stolpersteinen am Friedrich-Ebert-Ring 39, Mitte der 2010er Jahre. 

 

Wenn Sie mehr über die Familie Dr. Hugo Bernd erfahren wollen, empfehlen wir Ihnen:

HIER die Personentafel Familie Hugo Bernd auf dieser Homepage.

und HIER die Personentafel Rolf, Beate und Hans Bernd auf dieser Homepage.