7. Station: Friedrich-Ebert-Ring 8 - Familie Salomon
Wir überqueren jetzt den Friedrich-Ebert-Ring und setzen auf der anderen Seite den Weg in Richtung Pfaffendorfer Brücke/Rhein fort.
Hier finden wir am Haus Friedrich-Ebert-Ring 8 drei Stolpersteine. Sie sind der kleinen Familie Salomon gewidmet.
Die drei Stolpersteine für die Familie Salomon,
für (v.l.n.r.) Vater Dr. Arthur Salomon, Tochter ruth Salomon und Mutter Alma Salomon.
Dr. Arthur Salomon war Rechtsanwalt am Landgericht Koblenz. Schon sein Vater, Dr. Bernhard Salomon, war hier Rechtsanwalt und so anerkannt, dass er den Ehrentitel Justizrat verliehen erhielt. Sein Sohn Arthur trat in seine Fußstapfen, machte hier Abitur, war Soldat im Ersten Weltkrieg und auch Frontkämpfer. Nach dem Studium der Rechtswissenschaften, der Promotion zum Dr. jur. und der Referendarzeit trat er in die Anwaltskanzlei seines Vaters ein. Dr. Salomon war verheiratet mit seiner Frau Alma, geb. Cohen. Im Jahr 1933 kam ihre Tochter Ruth zur Welt.
Rechtsanwalt Dr. Arthur Salomon mit Tochter Ruth.
Ruth als Köchin beim jüdischen Purimfest, eine Art Karneval, verkleidet, um 1940.
Tochter Ruth Salomon.
Arthur Salomon war lange Jahre auch Bezirksvorsitzender des Reichsbundes jüdischer Frontsoldaten. Gegründet wurde dieser Bund unmittelbar nach dem Krieg. Das war ein Traditionsverein der jüdischen Soldaten, der für den Zusammenhalt der Soldaten sorgte. Insbesondere hatte er es sich auch zur Aufgabe gemacht, das Andenken an die gefallenen jüdischen Soldaten wachzuhalten. Denn schon während des Krieges wurden die Juden dafür geschmäht, dass sie sich vor dem Kriegsdienst gedrückt hätten und überhaupt nicht vaterländisch gewesen seien. Das waren Fake News, sie wurden bewusst zur Diffamierung der Juden verbreitet. Tatsächlich waren viele Juden Soldaten im Ersten Weltkrieg. 12.000 jüdische Soldaten fielen für ihr Vaterland.
Anzeige des Reichsbundes jüdischer Frontsoldaten zur Ehrenrettung der jüdischen Soldaten.
Gegen diese Hetze und gegen die antisemitische Hetze insgesamt kämpfte der Reichsbund jüdischer Frontsoldaten mit seinen Möglichkeiten an. Viel Erfolg war ihm – wie wir heute wissen – nicht beschieden. Der in der Bevölkerung seit Jahrzehnten wabernde Antisemitismus wurde immer populärer und half mit, die Nazis an die Macht zu bringen.
Nach der Machtübernahme der Nazis sah der Reichsbund seine Aufgabe auch darin, die Auswanderung seiner Mitglieder zu propagieren und dabei Hilfestellung zu geben. Dieser Erfolg war aber nicht sehr groß.
Das schmälert aber in keiner Weise die Verdienste Salomons um den Reichsbund, zumal er auch in seinem Beruf als Rechtsanwalt schwer zu kämpfen hatte. Denn seit dem sog. Judenboykott am 1. April 1933 ging seine Anwaltskanzlei – wie allgemein der jüdischen Anwälte – zurück. Allerdings war er von dem Gesetz über die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft vom 7. April 1933, das auf das Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom selben Tag verwies und grundsätzlich ein Berufsverbot für jüdische Rechtsanwälte vorsah, nicht betroffen. Als „Frontkämpfer“ galt für ihn eine Ausnahme, die ihn zunächst vor der Rücknahme der Anwaltszulassung bewahrte. Gleichwohl wurde er von den Nazis schikaniert und von möglichen Mandanten eher gemieden. Dafür sorgte auch die „Judenliste von Koblenz“, die zum Boykott auch der Rechtsanwaltskanzlei von Dr. Arthur Salomon aufrief.
„Judenliste von Koblenz“, veröffentlich im Koblenzer Nationalblatt vom 18. September 1935.
Unter „Kaiser-Wilhelm-Ring 8“: Dr. Salomon, Rechtsanwalt.
Wo man konnte, schikanierte man Dr. Salomon und auch seine Frau Alma. So zog die Gestapo Koblenz im Jahr 1937 aus „staatspolitischen Gründen“ die Reisepässe der Eheleute ein, um so ihre Ausreise aus Hitler-Deutschland zu verhindern bzw. zu erschweren. Im selben Jahr zeigte ein Justizbeamter oder „arischer Kollege“(?) Dr. Salomon bei der Gestapo an, weil dieser angeblich den rechten Arm zum „Hitlergruß“ erhoben hatte – was Juden, weil sie keine „Volksgenossen“ waren, verboten war.
Im Rahmen der „Reichspogromnacht“ am 9./10. November 1938 wurde Dr. Salomon - wie 30.000 andere jüdische Männer auch – verhaftet und in das Konzentrationslager Dachau bei München verschleppt. Nach sechs Wochen kam er wieder frei.
Zur gleichen Zeit verlor Dr. Salomon seine Zulassung zur Rechtsanwaltschaft, die ihm 1933 als „Frontkämpfer“ zunächst noch belassen wurde. Die 5. Verordnung zum Reichsbürgergesetz (einem Nürnberger Rassengesetz vom 15. September 1935) vom 27. September 1938 ordnete an, dass bisher noch zugelassene jüdische Anwälte zum 30. November 1938 aus der Rechtsanwaltschaft auszuscheiden hätten. So geschah es auch bei Dr. Salomon. Allerdings wurde er als „Frontkämpfer“ – was möglich war - von der Justizverwaltung zur rechtlichen Beratung und Vertretung von Juden als jüdischer „Konsulent“ zugelassen. Er durfte aber nur noch Juden vertreten und das zu geringeren Gebühren.
So gedemütigt und diskriminiert wurde die Familie Salomon, Vater Arthur, Mutter Alma und Tochter Ruth, dann mit der 1. Deportation von Koblenz aus am 22. März 1942 „nach dem Osten“ verschleppt. Sie waren - mit der zuvor erwähnten Bertha Schönewald – unter den 338 Menschen jüdischer Herkunft, die vom Bahnhof Koblenz-Lützel in das Durchgangsghetto Izbica bei Lublin in dem von Deutschland besetzten Polen, dem Generalgouvernement, deportiert wurden.
Wenn sie die tagelange Fahrt überstanden und auch die ersten Monate in dem Durchgangslager Izbica überlebt hatten, wurden sie in das nicht weit entfernte Vernichtungslager Sobibor verschleppt und dort noch am Tag ihrer Ankunft in der Gaskammer mit Motorabgasen ermordet.
Bahnstation Sobibor, hier wurden die deportierten Juden „ausgeladen“
und zu Fuß in das nahe gelegene Vernichtungslager getrieben.
Damit verlor die kleine Familie Salomon alles, was sie hatte: Zunächst der Rechtsanwalt Dr. jur. Arthur Salomon seinen Beruf, dann die ganze Familie ihre Menschenwürde, ihre deutsche Staatsbürgerschaft und dann ihr Leben. Schließlich büßten sie das ihnen bis dahin noch verbliebene „Vermögen“ ein. Letzteres geschah kraft „Gesetzes“: Nach der 11. Verordnung zum Reichsbürgersetz vom 25. November 1941 verloren die Juden, wenn sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt – auch unfreiwillig – im Ausland nahmen, ihre deutsche Staatsangehörigkeit und mit dem Verlust der Staatsangehörigkeit zugleich ihr Vermögen, das verfiel dem Reich.
Vorder- und Rückseite der Karteikarte der Gestapo Koblenz betr. Dr. Arthur Salomon.
(Quelle: excl. Lizenz Digitales Archiv, ITS Bad Arolsen).
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