8. Station: Neustadt 23 - Richard Christ

Wir gehen jetzt noch den Friedrich-Ebert-Ring ein kleines Stück weiter, er endet dann und wir biegen links in die Straße Neustadt ein und gehen bis zum Haus 23.

 


Stolperstein für Richard Christ.

Richard Christ ist auf unserem Rundgang zu den Stolpersteinen in der Innenstadt ein weiteres NS-Opfer, das keinen jüdischen Hintergrund hatte. Er wurde aus politischen Gründen von den Nazis verfolgt – weil er Kommunist war. 

Von Beruf war der in Koblenz geborene Richard Christ Buchhändler. Außerdem war er, wie es sich vor einigen Jahren anlässlich des Jubiläums des Koblenzer Schachvereins herausstellte, Vorsitzender dieses Schachvereins gewesen. Beides war aber nicht der Grund für seine Verfolgung durch die Nazis und seinen baldigen Tod. Richard Christ war Mitglied der KPD und möglicherweise auch des kommunistischen Rotfront-Kämpferbundes. Verheiratet war er mit seiner Frau Else, geb. Beyerlein. Auch sie war Kommunistin. Die Verfolgung der beiden begann schon zu Beginn der Naziherrschaft.

Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten war Richard Christ Kandidat für den Koblenzer Stadtrat. Nachdem Hitler am 30. Januar 1933 vom greisen Reichspräsidenten Paul von Hindenburg zum Reichskanzler ernannt worden war, wurden sofort Neuwahlen anberaumt. Das waren zunächst die Wahlen zum Reichstag am 5. März 1933 und dann die Wahlen zur Stadtverordnetenversammlung, also zum Stadtrat, am 12. März 1933. Die Kandidaten der anderen Parteien als der NSDAP wurden massiv behindert. Einen Höhepunkt erreichten die Schikanierungen nach dem Brand des Deutschen Reichstags in der Nacht vom 27. auf den 28. Februar 1933, Dieser war für die Nazis ein gefundenes Fressen, sie schoben ihn ihrem schärfsten und aggressivsten politischen Gegner, den Kommunisten, in die Schuhe. Noch in derselben Nacht wurden im gesamten Deutschen Reich viele KPD-Angeordnete und wichtige Funktionäre verhaftet, die Parteibüros geschlossen und die Presseorgane der KPD verboten. 

Nur einen Tag später erreichte diese Verhaftungswelle auch Koblenz. Hier und in der Umgebung verhaftete man 80 Kommunisten.

Festgenommene Kommunisten in Koblenz – auf dem Weg in die „Schutzhaft“ (Quelle: Stadtarchiv Koblenz).

Unter ihnen waren auch Richard und Else Christ. Während Richard Christ im Koblenzer Gefängnis, dem „Karmelitergefängnis“ in der Karmeliterstraße, so in „Schutzhaft“ saß, wurde er in den Stadtrat von Koblenz gewählt. Das Amt konnte er natürlich nicht antreten. Diese Maßnahmen waren das faktische Verbot der KPD, den gewählten Stadträten und allen Abgeordneten auch wurden ihre Mandate aberkannt, Richard Christ hat den Rathaussaal nie mehr von innen gesehen.

Das Koblenzer Gefängnis in der Karmeliterstraße („Karmelitergefängnis“).
In der Mitte die Karmeliterkirche, dahinter das Gefängnis.
 

Nach dem Verbot auch der SPD Ende Juni 1933 verschärfte sich die Situation der „Schutzhäftlinge“ auch in Koblenz weiter. Sie kamen zu Vernehmungen und Misshandlungen in die SS-Kaserne in der Nähe des Clemensplatzes. am Schlossplatz. Ein Mitgefangener berichtete später über die „Vernehmungen“ durch den Lahnsteiner SS-Sturmführer Emil Faust – zunächst über seine eigene und dann die von Richard Christ:

Dann begann die Vernehmung, und in diesem Augenblick trat auch Emil Faust in den Raum. Noch bevor ich die ersten Fragen beantworten konnte, begann schon die Schlägerei und Faust gab das Signal für die anderen herumstehenden SS-Leute. Man prügelte mich so lange, bis ich bewusstlos zusammenbrach. Als ich erwachte, lag ich vollkommen durchnässt auf dem Fußboden. Man hatte mich also mit (einem) Eimer Wasser aus der Besinnungslosigkeit zurückgeholt. Die Schlägerei ging von neuem los, bis ich dann endlich in einen großen Raum gebracht wurde, wo sich meine (…) Kameraden (…) befanden. 

Dann wurden einzeln die anderen Häftlinge zur Vernehmung gebracht und kamen in einem ähnlichen Zustand zurück: zerschlagene Gesichter, blutige Lippen, zerrissene Kleider usw. Richard Christ, der neben mir lag und schon mal geprügelt wurde, war das besondere Objekt von Faust geworden. Immer wieder kam er (…) zurück und beschäftigte sich im Besonderen mit Richard Christ. Er bearbeitete ihn derart das Gesicht und den Oberkörper mit dem Gummiknüppel, dass er nach kurzer Zeit nicht mehr wieder zu erkennen war; alles war geschwollen und blutunterlaufen. Das ging so weit, dass wir um das Leben des Christ in der Nacht bangten. Es war uns Kameraden möglich, etwas Wasser aufzutreiben, womit wir das Gesicht und den Oberkörper immer wieder kühlten und ihn somit bei Besinnung hielten. Diese Prügelszenen dauerten für mich und einen Teil meiner Kameraden volle drei Tage und drei Nächte, bei der an Schlaf nicht zu denken war, da wir immer wieder herausgeholt und geschlagen wurden. Am dritten Tag gegen Abend wurde ich in das Karmelitergefängnis zurückgebracht (…) R. Christ wurde meines Wissens erst nach acht Tagen, als er ein einigermaßen menschenähnliches Aussehen wiedererlangt hatte, in das Karmelitergefängnis gebracht.

Mitte August 1933 wurde Richard Christ dann mit ca. 40 anderen Koblenzer „Schutzhäftlingen“ in das Konzentrationslager Esterwegen, das war eins der "Emslandlager“, verschleppt. Dort trafen sie wieder auf den SS-Sturmführer Emil Faust. Für Faust war es eine Freude, Richard Christ und die anderen Koblenzer Kommunisten dort wiederzusehen und dann zu misshandeln. Er begrüßte sie mit den Worten: „Das Herz im Leibe lacht mir, wenn ich euch sehe, ihr werdet die Heimat nie wiedersehen!“ 


Foto: Häftlinge beim Ausbau der Lagerstraße des Konzentrationslagers Esterwegen. 
(Quelle: Fotoalben KL Esterwegen 1935, Eigentum des Bundesarchivs FOTO: Archiv).

Wie die anderen Häftlinge auch musste Richard Christ in dem KZ hart arbeiten – vor allem im Moor. An diesem Ort und in dieser Zeit entstand übrigens das sehr bekannte „Moorsoldatenlied“. Es ist ein Zeugnis für den Überlebenswillen im Konzentrationslager und auch heute noch – in vielen Interpretationen – ein bekanntes antifaschistisches Kampflied.


Blatt des Liedes „Wir sind die Moorsoldaten“. 

Im Frühjahr 1934, nachdem schon viele inhaftierte Kommunisten entlassen worden waren, kam auch Richard Christ frei. Er kehrte kurz nach Koblenz zurück, emigrierte aber sehr bald nach Frankreich. Ein Jahr später starb Richard Christ in Toulouse in Südfrankreich an Nierenblutungen – eine Folge der Misshandlungen in Koblenz und im KZ Esterwegen. 

 

Vorder- und Rückseite der Karteikarte der Gestapo Koblenz betreffend Richard Christ.
(Quelle: exl. Lizenz Digitales Archiv ITS Bad Arolsen)
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Vorder- und Rückseite der Karteikarte der Gestapo Koblenz betreffend Else Christ.
(Quelle: exl. Lizenz Digitales Archiv ITS Bad Arolsen).