9. Station: Schlossstraße 1 - Klinik Dr. Reich 

Wir gehen jetzt die Straße „Neustadt“ ein Stück weiter. Rechts sehen wir das Koblenzer Schloss, zur Linken biegen wir in das Schlossrondell ein. Dies gehen wir weiter und gelangen an das Ende der Schlossstraße. Hier zur Linken treffen wir vor dem Gebäude in der Schlossstraße 1 auf eine Anzahl Stolpersteine. Es sind 10 Biografiesteine und ein Erklärstein.



Die insgesamt 11 Stolpersteine in der Schlossstraße 1.

Die Anordnung der Steine ist zweigeteilt. In der oberen Reihe sind es drei Steine: ein „Erklärstein“ und zwei Steine für zwei Erwachsene. In der unteren Reihe sehen wir insgesamt 8 Stolpersteine für Jugendliche. 

Der Stein in der oberen Reihe links erklärt die Vielzahl der hier verlegten Steine. Hier in dem Vorgängerhaus dieses heutigen „Neubaus“ befand sich die private Kinderklinik Dr. Reich. Der jüdische praktische Arzt Dr. Richard Reich betrieb hier eine Geburtsstation, in der viele jüdische Kinder zur Welt kamen. Für einige dieser Kinder sind in der unteren Reihe die 8 Stolpersteine verlegt.

Die obere Reihe der Stolpersteine in der Schlossstraße 1.

Links neben dem „Erklärstein“ liegt der Stein für den Betreiber dieser Klinik Dr. Richard Reich. Dr. Reich war verheiratet mit seiner Frau Frieda, geborene Lichtenstein. Aus der Ehe gingen drei Kinder hervor. Die Familie Reich konnte im Jahr 1939 noch rechtzeitig aus Koblenz nach Belgien fliehen. Dort lebten sie unter falschem Namen und überlebten auch die Zeit der deutschen Besetzung Belgiens. 

Rechts daneben in der oberen Reihe ist ein Stein für den Schwiegervater von Dr. Reich, für Karl Lichtenstein, verlegt. Auf dem für den 1869 geborenen Karl Lichtenstein verlegten Stein heißt es: 1942 deportiert, am 19. September 1942 in Maly Trostinez ermordet.

Ob das so richtig ist, ist sehr zweifelhaft. Nach den Gedenkbüchern ergibt sich etwas anderes. Danach wurde der damals 73-jährige Karl Lichtenstein am 27. Juli 1942 von Koblenz aus in das sog. Altersghetto Theresienstadt deportiert und von dort aus am 19. September 1942 in das Vernichtungslager Treblinka verschleppt und noch am Tag seiner Ankunft mit Motorabgasen ermordet. Dieser Weg in den Holocaust erscheint mir auch plausibel, zahlreiche alte Menschen jüdischer Herkunft sind von Koblenz aus nach Theresienstadt gekommen und dann einige von ihnen weiter in das Vernichtungslager Treblinka.

Lassen wir das auf sich beruhen. Die Stolpersteine hier sind ohnehin vor allem für die in der Kinderklinik geborenen jüdischen Kinder verlegt worden. Es sind insgesamt 8 Stolpersteine in der unteren Reihe.

Die 8 Stolpersteine für die in der Klinik Dr. Reich zur Welt gekommenen jüdischen Kinder. 

Über das Schicksal mancher Kinder wissen wir kaum mehr als auf ihren Stolpersteinen zu lesen ist.

Anders ist es bei den Steinen der Brüder Egon und Herbert Stotzky. Die Stotzky-Brüder kamen hier 1931 bzw. 1932 zur Welt.

Die Stolpersteine für die Brüder Egon und Herbert Stotzky.

Bei deren Geburt Anfang der 1930er Jahre hatten die Eltern schon einen langen Weg zurückgelegt. Ihr Vater war Isidor Szaja Stotzky. Er wurde 1892 in Kishinev in Bessarabien, im heutigen Rumänien, geboren. Er war von Beruf Kürschner.


Vater Isidor Szaja Stotzky (Quelle: Yad Vashem).

Vater Stotzky kam wohl recht weit herum. Denn er heiratete seine 1890 oder 1896 in Leipzig geborene Frau Helena, geb. Weigler. 1930 zogen die beiden mit ihrem 1920 geborenen Sohn Benne nach Koblenz. Hier kamen die Söhne Egon und Herbert zur Welt. Schon 1932 verließ die Familie wieder Koblenz. Die Stotzkys gingen „auf Reisen“ und lebten wohl in Leipzig. Anschließend emigrierten sie über Luxemburg nach Frankreich. Dort ließen sie sich wie viele geflüchtete Juden in Nizza nieder. Im Sommer 1942 waren die Brüder Egon und Herbert im südfranzösischen Internierungslager Rivesaltes.


Das Internierungslager Rivesaltes in der Nähe von Perpignan. (Quelle: HIER)

Rivesaltes war zu jener Zeit ein Sammellager für ausländische, unerwünschte Juden, von denen die Franzosen sehr viele der deutschen Besatzungsmacht auslieferten. Dementsprechend verschleppte man die beiden Stotzky-Brüder Egon und Herbert von Rivesaltes weiter in das Sammellager Drancy bei Paris.

 
Das Lager Drancy bei Paris. Es war ein Durchgangslager für die Deportationen ins Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau.
(Quelle: HIER)

In Drancy waren sie dann zusammen mit ihren Eltern Isidor Szaja und Helene und ihrem älteren Bruder Benne. Alle fünf gingen zusammen am 11. September 1942 auf Transport ins Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau. Keiner von ihnen kam zurück.


Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau (Quelle: Wikipedia)
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