8. Station: Bismarckstr. 6b - Georg Krämer

Wir gehen jetzt die Roonstraße weiter in Richtung Rhein, überqueren die Mainzer Straße und gehen geradeaus in die Moltkestraße. Dort biegen wir in die nächste Straße, die Bismarckstraße links ein. Diese gehen wir ein Stück auf dem linken Bürgersteig entlang.  Dort bleiben wir dann an der Bismarckstraße 6b vor einem modernen Bau stehen, der nicht mehr an die frühere Bebauung erinnert. 

Vor dem Bau sehen wir den Stolperstein für Georg Krämer.

Stolperstein für Dr. Georg Krämer. 

Georg Krämer wurde 1872 in Berlin als Sohn jüdischer Eltern geboren. Nach dem Abitur studierte er Rechtswissenschaften und ließ sich evangelisch taufen. Hintergrund dafür war (auch), seine Chancen, in den Staatsdienst zu kommen, zu verbessern. Denn Ende des 19. Jahrhunderts war es kaum möglich, als Glaubensjude Beamter zu werden, erst recht nicht Staatsanwalt. Krämer machte dann sein erstes Staatsexamen.

1. Seite des Studien- und Sittenzeugnisses der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg
für das von Georg Krämer im Sommersemester 1892 begonnene Jurastudium.

1. Seite des Studienzeugnisses der Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin
für Georg Krämers Studium der Rechtswissenschaften dort ab dem Sommersemester 1893.

Während der anschließenden Zeit als Gerichtsreferendar wurde Georg Krämer zum Dr. jur. promoviert und schloss seine Ausbildung mit dem zweiten juristischen Staatsexamen ab.

Urkunde über die Promotion Dr. Georg Krämers zum Dr. jur..

Dr. Krämer wurde dann Staatsanwalt in Essen. Dort heiratete er die Tochter eines jüdischen Fabrikbesitzers, die ebenfalls zum evangelischen Glauben konvertiert war.

Dr. Georg Krämer (hinten rechts) mit seiner Ehefrau Franziska (Fanny), geb. Mendel)
und dem erstgeborenen Sohn Fritz, links seine Schwiegereltern Mendel, um 1908.
 

Aus der Ehe gingen zwei Söhne hervor, der 1908 geborene Fritz und der drei Jahre jüngere Wilhelm. Auf sie wird noch zurückzukommen sein.

Die Eheleute Krämer mit ihren beiden Söhnen, dem älteren Fritz und dem jüngeren Wilhelm, um 1911. 

Die Ehe der Krämers wurde 1914 geschieden, im selben Jahr meldete sich Georg Krämer zum Kriegsdienst, nach dem I. Weltkrieg schied er als Major und Rittmeister der Reserve aus. Nach seiner Rückkehr in den Dienst wurde er zum Ersten Staatsanwalt befördert.

Inzwischen lebte seine geschiedene Ehefrau mit den beiden Söhnen in dem Ort Diethardt bei Nastätten im Taunus. Dort leitete sie mit einer Freundin ein Internat für Mädchen und Jungen. Da Georg Krämer den Kontakt zu seiner Familie suchte, bemühte er sich wiederholt um eine Stelle in Koblenz, 1931 wurde er schließlich zur Staatsanwaltschaft Koblenz versetzt.

Dr. Georg Krämer mit seinem Sohn Wilhelm, um 1930.

Im Zuge des „Judenboykotts“ am 1. April 1933 wurde er aus dem Dienst zwangsweise beurlaubt, man musste ihn als „Alt-Staatsanwalt“ (weil er schon vor dem Ersten Weltkrieg Staatsanwalt war) aber bald wieder einstellen. Als die Nazis Ende 1935 dieses „Privileg“ abschafften, wurde Krämer trotz weiterhin guter dienstlicher Beurteilungen endgültig entlassen. 
Im Ruhestand erlebte Krämer noch die weiteren Schikanen und Diskriminierungen der Juden. Zuletzt musste er von hier in ein „Judenhaus“ umziehen und auch (obwohl er evangelisch getauft war) den „Judenstern“ tragen. Da er das wohl nicht regelmäßig tat, wurde der alte Herr bei der Gestapo Koblenz angezeigt, kam Anfang 1942 in Haft und nach drei Wochen mit einer eindringlichen „Verwarnung“ entlassen.

Am 27. Juli 1942 wurde Dr. Krämer mit dem 4. Transport vom Bahnhof in Koblenz-Lützel zusammen mit 78 Juden in das „Altersghetto“/KZ Theresienstadt deportiert. 

Juden im „Altersghetto“/Konzentrationslager Theresienstadt (Terezin) in Böhmen.

Dort kam er am 1. November 1942 im Alter von 70 Jahren um.

Karteikarte der Gestapo Koblenz betr. Dr. Georg Krämer, Vorder- und Rückseite.
(Quelle: Excl. Lizenz: Digitales Archiv, ITS Bad Arolsen).

Dr. Krämers Familie konnte dem Rassenwahn der Nazis noch rechtzeitig entgehen. Seiner geschiedenen Ehefrau gelang es, in dem Taunusdorf Diethardt unbehelligt zu bleiben.  Der ältere Sohn Fritz wanderte in die USA aus und holte seine Mutter und seine Frau später nach, der jüngere Sohn Wilhelm floh nach England. Sohn Dr. Fritz Kraemer kehrte als US-Soldat nach Deutschland zurück und lernte hier den aus Nürnberg stammenden Henry Kissinger kennen. Krämer war Kissingers Entdecker und Mentor, war „Kissingers Kissinger“. Kraemer wurde so ein einflussreicher Berater gleich zweier US-amerikanischer Außenminister, Henry Kissinger und Alexander Haig. Jahrzehnte lang war Dr. Fritz Kraemer einflussreichste Deutsche im Pentagon

Cover der Biografie von Hubertus Hoffmann über Dr. Fritz Kraemer: True Keeper oft he Holy Flame“.
  Im Bild (v.l.n.r.): Dr. Fritz Kraemer, US-Außenminister Henry Kissinger, US-Präsident Richard Nixon.  


Wer mehr über Georg Krämer erfahren will, dem empfehlen wir:
Die Kurzbiografie über Dr. Georg Krämer auf dieser Homepage.